Der gefeierte Comic-Autor Mark Millar glaubt, dass Marvel und DC Comics einen Fehler gemacht haben. Das Konzept der geheimen Identität lag früher im Herzen der Superhelden-Comics, aber es scheint in letzter Zeit aus der Mode gekommen zu sein. Auf der großen Leinwand scheinen sich nur noch wenige Superhelden mit geheimen Identitäten zu beschäftigen. Das ist besonders im Marvel Cinematic Universe der Fall, wo Tony Stark sich als Iron Man geoutet hat, Captain America sich nicht wirklich darum kümmert, ein ziviles Leben zu führen, und Thor auch nie den Versuch gestartet hat. Sogar die geheime Identität von Spider-Man wurde in der „Spider-Man – Far From Home“ im Abspann enthüllt. Und die Comics ziehen nach, wo Superman nun der ganzen Welt erzählt, dass er in Wirklichkeit Clark Kent ist.
Der Comic-Autor Mark Millar wurde im World Balloon-Podcast von John Siuntres nach seiner Meinung zu diesem Trend gefragt, und er äußerte eine recht nuancierte Meinung. Wie er bemerkt, ist die Enthüllung der geheimen Identität wirklich ein sehr cleverer Weg, um die Welt wieder über Superman ins Gespräch zu bringen. Trotz alledem machen seiner Meinung nach Superhelden-Comics einen großen Fehler, wenn sie die geheime Identität vernachlässigen:
„Ich glaube, dass ich vom Standpunkt des Erzählens ein großer Fan von geheimen Identitäten bin. Ich denke, dass geheime Identitäten die wichtigste Komponente aller Superhelden-Geschichten sind. Geheime Identitäten sind das, was der Leser ist und dann werden sie durch das Lesen der Geschichten zum Helden… Kinder identifizieren sich mit dem Menschen und bekommen dann die Chance, diese Abenteuer zu erleben. Etwas ganz Besonderes für Superhelden, jemand, der vorgibt, ein Feigling zu sein. Es funktioniert, wenn Bruce Wayne vorgibt, ein oberflächlicher Mensch zu sein, die letzte Person, die man für Batman halten würde. Und das gleiche gilt für Clark Kent, ein Typ, der einen Diamanten zermalmen kann und sich dennoch acht Stunden am Tag damit beschäftigt, zu sitzen und zu tippen und sich hinter einer Brille zu verstecken. Das ist die Mythologie davon. Ein Gott, der sich entscheidet, ein Mensch zu werden, und ich liebe das.“
Es ist interessant, diese Ansicht von Millar zu hören, weil er selbst für eine ähnliche Enthüllung einer geheimen Identität verantwortlich war. In seiner Civil War Miniserie hielt Iron Man eine Pressekonferenz ab, in der Spider-Man vor der Welt demaskiert wurde. Aber es ist wichtig dazu anzumerken, dass Marvel bereits eine Art Reset im Sinn hatte, aus dem der umstrittene „One More Day“ Storybogen wurde. Tatsächlich hat Spidermans Demaskierung wohl die Ereignisse dafür in Gang gesetzt, da Peter dazu getrieben wurde, die Geschichte neu zu schreiben, nachdem Tante May erschossen worden war…